Liebe Leserinnen und Leser!
Wie blicken Sie – wie blickst du – in diesem Jahr auf Weihnachten? Mit Vorfreude? Oder eher mit banger Sorge, dass es wieder massive Beschränkungen gibt? Ich versuche, gelassen zu bleiben: Es kommt, wie es kommt. Ich plane Familienbesuche, Krippenspiele, Gottesdienste, Veranstaltungen wie gewohnt und wenn wir es dann nicht so machen können, muss ein Gottesdienst vielleicht nach draußen verlegt werden oder kürzer sein und wiederholt werden, oder gefilmt werden, oder … Manches nervt oder raubt kostbare Zeit, aber letztlich geht es uns hier in unserem Land, wo wir leben dürfen, immer noch sehr, sehr gut. Wir leben in Frieden. Jedenfalls muss kein Mensch Angst haben, dass eine Bombe sein Haus zerstört oder er vertrieben oder erschossen wird. Keiner muss hungern. Wir leiden mehr an Übergewicht. Wir haben die Wahl zwischen 300 Brotsorten. Im Durchschnitt hat jede*r Erwachsene 95 Kleidungsstücke (ohne Socken und Unterwäsche) im Schrank. Jedem stehen durchschnittlich 47,4 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Pro Haushalt gibt es durchschnittlich ein bis zwei Autos. Der Schulbesuch ist kostenlos; ca 310 Milliarden Euro werden in Deutschland für Bildung, Forschung und Wissenschaft ausgegeben. Das Grundgesetz garantiert uns die Unverletzlichkeit der Menschenwürde. Die Justiz ist unabhängig. Wir haben viele Arbeitsmöglichkeiten – und Möglichkeiten zu feiern, Hobbys zu pflegen uns unterhalten zu lassen. Es geht uns gut – als Gesellschaft. Wie es gerade jedem Einzelnen geht, ist natürlich ein anderes Thema.
Wie blicken Sie – wie blickst Du – in diesem Jahr auf Weihnachten?
Der Monatsspruch aus dem Buch des Propheten Sacharja ruft uns zu:
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR. (Sach. 2, 14) Sich freuen können und fröhlich sein ist wunderbar.
Aber befehlen lassen sich Freude und Fröhlichkeit nicht. Da muss es schon gute Gründe geben und einen Blick dafür. Der Prophet spricht zu den Bewohnern Jerusalems. Auf den ersten Blick hatten sie keinen Grund sich zu freuen. Die Stadt war zerstört. Sie standen vor den Trümmern ihrer Häuser und des Tempels. Doch der Prophet ermutigt sie, den Blick von den Trümmern zu lösen und weiter zu blicken: „Gott will bei dir wohnen. Gott will bei dir zu Hause sein. Gott ist bei dir in den Trümmern des Lebens. Du bist nicht allein. Das ist wirklich ein guter Grund, sich zu freuen und fröhlich zu sein.“ Ja, wer sich freuen kann, dem fällt es auch leichter, die Trümmer des Lebens beiseite zu legen und Neues aufzubauen.
So will ich meinen Blick von dem, was mich nervt und belastet, lösen. Der große, unfassbare, rätselhafte Gott macht sich klein, wird ein hilfloses Baby und wohnt in unserer Welt – bei dir und bei mir. Gott gibt diese Welt nicht verloren, auch wenn wir Menschen so viel zerstören und oft vergessen, wie gut es uns geht. Ich freue mich – zugegeben: nicht immer. Doch wenn ich durch andere Menschen erlebe, was Gott mit Liebe meint, freue ich mich sehr. In Jesus streckt er uns seine Hände entgegen – wir dürfen helfen. Unsere Enkelin streckt mir ihre Arme entgegen – ich darf sie tragen und ihr die Welt zeigen. Ich freue mich.
Hirten und Könige beten das Jesuskind in der Krippe an. Arme, verachtete und reiche, gebildete Menschen in aller Welt beten und feiern miteinander Gottesdienste in den Kirchen. Ich freue mich. Jesus heilt Kranke. Menschen entdecken Impfstoffe, pflegen und heilen. Ich freue mich.
Gesegnete, freudige Weihnachten und ein wunderbares neues Jahr wünscht Ihnen und Euch Ihre / Eure Edith Steinmeyer (Pastorin)