Das Hauptbuch der Parochie Wagenfeld, das 1792 von Pastor Kahler angelegt worden ist, gibt in ausführlicher Weise Auskunft über die praktizierten Gebräuche bei kirchlichen Amtshandlungen und deren Bezahlung von Seiten derer, die diese Amtshandlungen in Anspruch nahmen. Deshalb sollen die betreffenden Seiten hier auch zitiert werden.

„… Jura Stolae und Accidentien der Pfarre:

  1. Für die Taufe eines Kindes werden dem Prediger von dem Vater des Kindes bezahlt 12 Mariengroschen. Für die Fürbitte der Schwangeren und Danksagung nach geschehener Entbindung, bekommt der Prediger 3 Mariengroschen. Diese 3 Mariengroschen werden auch oft von der schwangeren Person selbst an den Prediger, wenn dieselbe vor ihrer bevorstehenden Entbindung communicirt [das Abendmahl bekommt], statt des Beicht Geldes gegeben. Gevattern [Taufzeugen] geben an den Prediger nichts, degegen aber bekommt derselbe von der Taufe eines unehelichen Kindes 1 Reichsthaler und derjenige, welche concubitum anticipirt haben [Geschlechtsverkehr haben, ohne verheiratet zu sein], müssen dem Prediger 24 Mariengroschen entrichten.
  2. Die Confirmanden, welche von Michaeli bis Ostern wöchentlich vom Prediger unterrichtet werden, bezahlen demselben pro informatione Catechetica et labore, jeder 6 Mariengroschen, und geben 3 Grote Beichtgeld.
  3. Das Beichtgeld von Jungen ist 4 Pfennig von jeder Person. Die verehelichten geben 1 Mariengroschen.
  4. Verlobte bezahlen bei ihrer Verlobung und Proclamation [Aufgebot] 18 Mariengroschen Jura. Kömt die Braut im Kranze und mit einer Folge zur Copulation [Trauung] in die Kirche, wird die Orgel als dann gespielet und gesungen, der Prediger hält vor der Copulation eine kurze Rede vor dem Altar; und weil diejenigen, welche das Brautpaar begleiten, opfern (das Opfergeld beträgt ohngefähr 18 Mariengroschen) So wird nur die Copulations Gebühr in solchen Fällen 1 Reichsthaler entrichtet. Wenn diese Umstände wegfallen, sind die Copulations Jura 1 Reichsthaler 12 Mariengroschen.
  5. Für die Verreisten nach Holland geschiehet der Observanz nach Sontags eine öfentliche Fürbitte, und bei deren glücklichen Zuhausekunft eine Danksagung, wofür die Person gewöhnlich 9 Mariengroschen dem Prediger zu verabreichen pflegt.
  6. Wenn eine Kindbetterin ihren Kirchgang hält, bezahlt dieselbe dem Prediger nach der Einsegnung 3 Mariengroschen.
  7. Fält eine Kranken Communion [Abendmahl] vor, wird solche dem Prediger Tages zuvor gemeldet, der der Observanz nach durch ein Fuhrwerk abgeholet wird. das Accidenz [die Gebühr] sind 6 Mariengroschen.
  8. Leichen Gebühre: Diese sind nach Beschaffenheit verschieden. Wenn der Prediger eine öfentliche Leiche aus dem Trauer Hause abholt, selbige den processions Weg um den Kirchhof führt und in der Kirche eine Leichenpredigt hält, muß ihm dafür 1 Reichsthaler bezahlt werden. Wird überdies noch im Trauer Hause eine Condolenz-Rede an die Anverwandten des Verstorbenen verlangt, bekömt der Prediger dafür 12 Mariengroschen. Für eine stille Leiche [i.e. eine Leiche, die im Familienkreis begraben wird] sind die Jura 18 Mariengroschen, die Bokeler aber müssen auch für eine stille Leiche, und wenn auch ein Kind begraben würde, 1 Thaler bezahlen; hingegen brauchen dieselben auch für eine öfentliche Leiche über diese Gebühr nicht zu geben.
  9. Holt der Prediger die Leiche nicht ab und führt sie nicht zu Grabe, sondern verrichtet nur die Leichenpredigt, so wird ihm, nach altem Gebrauch nur ½ Thaler bezahlt.
  10. Besondere Anmerkung: diejenigen, welche am Kirchhofe wohnen, praetendiren [pflegen] vor den übrigen Einwohnern Wagenfelds den Vorzug zu haben, daß sie nur die Hälfte von Leichengebühren zu bezahlen gebrauchten, wiewol sich nun hierüber nichts schriftliches auf hiesiger Pfarre vorfindet: so habe ich doch vom verstorbenen Cantor Meier gehört, daß diese Gewohnheit nur auf diejenigen Bezug hätte, welche die Kirchhofs Grenze bewohnten und keine neue Anbauer wären, er glaube es sei eine eingeschlichene Sache.
  11. Für Aufsuchung verlangter Nachrichten ist das Accidenz [die Gebühr] 3 Mariengroschen.
  12. Ein Schein aus dem Kirchenbuche wird mit 3 Mariengroschen, ein Dimissorial Schein aber mit 1 Thaler bezahlt.
  13. [Dimissoriale waren und sind noch nötig, wenn ein Glied einer Kirchengemeinde in einer anderen Gemeinde heiraten will oder in einer anderen Gemeinde begraben werden soll].
  14. Auch erhält der Prediger alhier jährlich auf Weihnachten von der Kirche einige Wachslichter, welche insgesamt 1 ½ Pfund wiegen müssen, wie auch an Gelde 3 Mariengroschen, wie die Kirchenrechnungen mit mehreren ausweisen.

Dasjenige, was in dieser Rubrique befindlich ist, habe ich theils aus dem Hauptbuche von 1709, theils nach der Observanz [der Gewohnheit nach] notiert. Kahler …“.

Heutzutage mag es uns fremd anmuten, daß bei allen kirchlichen Amtshandlungen eine Gebühr zu entrichten war, und zynische Gemüter mögen vielleicht auch auf die `Bettelei` der Kirche verweisen. Doch man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, daß die Pastoren zu der Zeit, aus der die oben genannten Gebühren stammen, noch kein festes Gehalt vom Staate bekommen haben, sondern aus diesen eben genannten Einnahmen ihren ganzen Lebensunterhalt und den ihrer Familie bestreiten mussten!