Die Kirche

Die älteste kirchengeschichtliche Nachricht von Wagenfeld stammt aus dem Jahre 1482. Ein Zettel in lateinischer Sprache, der im Diepholzer Urkundenbuch abgedruckt ist, berichtet folgendes: „… Im Jahre 1482 am 9. Juli ist dieser Altar geweiht zu Ehren des hl. Antonius des Bekenners, … der hl. drei Könige und Sankt Thomas … von dem Herrn Johann Bischof zu Meißen in Vertretung des Herrn Heinrich Bischofs zu Minden …“.

Julius Hummel schreibt hierzu: „… Es sieht so aus, als wäre dieses Dokument die Wiedergabe einer Altarinschrift aus der Wagenfelder Dorfkapelle. Der vorstehende kurze Bericht über eine Altarweihe ergibt, daß die Kapelle zu Wagenfeld im Mindener Bischofssprengel lag. In einem von Holscher mitgeteilten Verzeichnis wird Wagenfeld zum Archidiakonat Lübbecke, Varrel aber zum Archidiakonat Sulingen gezählt. Das weist auf Wehdem als ursprüngliche Pfarrkirche hin. An der Kirche zu Wehdem wie auch an der Filialkapelle in Oppenwehe gab es je einen Eingang, der die Wagenfelder Tür genannt wurde. Die Sage will wissen, daß die Wagenfelder Kirchgänger durch diese Türen ein- und ausgegangen seien …“.

Im Jahre 1498 erhielt die Kapelle eine eigene Glocke (die bis heute erhalten geblieben ist), wie eine Inschrift in derselben beweist. Hummel vermutet, daß Wagenfeld spätestens im Jahre 1530, als Graf Johann von Diepholz die Pfarrstelle in Barver eingerichtet hat, einen eigenen Pfarrer bekommen hat. Obgleich die Reformation die Weihe von Kirchen an Heilige ablehnte, hat sich der Name ´St. Antonius` bis heute erhalten. Der heilige Antonius (um 250 – 356) war einer der ersten christlichen Einsiedlermönche in Ägypten und gilt als Schutzpatron der Armen, Kranken, Ritter, Haustiere, Schweine, Metzger, Weber, Totengräber, Korbmacher und Ackerbauern (Fest am 17. Januar; Bauernregel: `Wenn an Antoni die Luft ist klar, so gibt`s gern ein trocken Jahr`). Ab dem 14. bis zum 18. Jahrhundert erfuhr die Antonius-Verehrung eine Hochzeit, weil Reliquien des Mönchsvaters ins Abendland gelangten und der im 11. Jahrhundert zu Ehren des Antonius in Frankreich gegründete Antoniterorden wohltätig wirksam wurde. In den benannten Jahrhunderten wurden dem heiligen Antonius aus diesen Gründen häufig Burgen und Kapellen geweiht.

Über die alte Kirche zu Wagenfeld, den Vorgängerbau unserer heutigen Kirche, lässt sich nur wenig berichten. Allzu dürftig sind die verfügbaren Informationen über Bau und Aussehen; eine bildliche Darstellung fehlt uns ganz.

Auf einer Karte von Wagenfeld aus dem Jahre 1768 ist zwar die Kirche zu erkennen, doch lässt die Karte aus der Feder des Vermessers Friedrich Christoph Dietrich Scheller über das Aussehen der Kirche nur den Schluss zu, daß sie in etwa die gleiche Gestalt wie die heutige Kirche gehabt zu haben scheint. Man erkennt einen – vergleichbar zu den anderen Häusern – hohen Turm und den daran anschließenden Kirchenraum.

Angeblich soll es sich bei diesem Gebäude um einen Fachwerkbau gehandelt haben. Zweimal findet sich in den Akten die Aussage, daß dieses Gebäude Anno 1610 erbaut worden sei: „… oben an der einen Seiten Thür der alten Kirche war ein Stein mit der Jahres Zahl 1610 eingemauert, welches das Jahr ihrer Erbauung sein sollte …“.

Offenbar war man bei dem Kirchenbau im Jahre 1610 auf die Spendefreudigkeit der Wagenfelder angewiesen, denn in den Sterberegistern von 1694 findet sich folgende Eintragung: „… den 28ten December ist die 100 jährige Frau Wende Fürstenau, Gebben Casten Schwiegermutter, welche anno 1610 zu dehm Kirchenbau hierselbst Steine zugetragen, begraben worden …“. Wenn man ansonsten auch sehr skeptisch sein kann, wenn in den Sterberegistern 100 jährige genannt werden, so muß Wende Fürstenau, so sie tatsächlich Steine zum Kirchenbau gestiftet hat, wirklich an die 100 Jahre alt geworden sein.

Weiter erfährt man nichts genaues über dieses Gotteshaus. Eine Skizze gibt darüber Auskunft, daß die Kirche einen Eingang an der Nord- und an der Westseite hatte und sich an der Südseite eine Beichtkammer befand. Es steht auch fest, daß zumindest der Altarraum, wenn nicht auch andere Bereiche des Gebäudes als Grabstätte gedient haben. Zum einen wurden die Patronatsherren der Kirche, die Drosten von Cornberg auf Auburg, und andere Mitglieder dieses Adelshauses in der Kirche begraben. Aber auch die in Wagenfeld gestorbenen Pastoren fanden ihre Ruhestätte in der Kirche. Ferner wurde diese Ehre auch den Amtmännern auf Auburg zuteil. Am 22. März 1704 wurde der Verwalter Christoph Staffhorst in der Kirche begraben; seine Grabplatte befindet sich heute auf der rechten Seite neben dem Gebäude. Die Sterberegister geben darüber Auskunft, daß am 29. März 1755 der Amtmann Dr. Wilhelm Heinrich Glanaeus „… in der Kirche, vor dem Cornbergischen Begräbnis an der linken Seite der Canzel, auff Consistorial Befehl ohne Entgelt eingesencket und begraben …“ wurde.

Über die Inneneinrichtung vermag man sich ein etwas genaueres Bild verschaffen, als über die Außengestalt der Kirche, denn viele der heutigen Einrichtungsgegenstände hatten auch schon in der alten Kirche ihren Platz gehabt: und zwar die kleine Glocke, der Altar, die Kanzel, der Taufstein, die Armleuchter, die Ölbilder und die Wappenbilder.

Als man sich in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts Gedanken über den Neubau der Kirche machte, war die alte Kirche schon über 150 Jahre alt, einsturzgefährdet und aus diesem Grunde sicherlich auch kein angenehmer und sicherer Aufenthaltsort mehr. Im Sommer 1772 trägt der Pastor Johann Georg Wilhelm Dannemann ins Kirchenbuch ein: „… dieses alte Gebäude da war sehr baufällig und über 60 Jahr schon mit Unterstützung dem Einfall vorgebeuget …“.

Wie baufällig die Kirche schon im Jahre 1746 gewesen ist, lässt eine Eintragung im Sterberegister erahnen. Am 10. Februar 1746 hat Johann Henrich Eiels seinen vierjährigen Sohn Gerd Henrich, der an den Masern verstorben war, begraben lassen. „… bey dessen Beerdigung ist die Glocke aus dem Turm gefallen …“. Mag die Stimmung bei dieser Beerdigung schon betrüblich genug gewesen sein, so wird das Getöse beim Aufprall der Glocke, die von oben aus dem Turm herabfällt, bei den Anwesenden noch einen zusätzlichen Schrecken verursacht haben. Zum Glück wurde dabei niemand verletzt. Es scheint ohnehin ein Wunder zu sein, daß während der 60 jährigen Baufälligkeit der Kirche niemand in oder an dem Gebäude zu Schaden gekommen ist. Aus Briefen des Pastors geht hervor, dass das Gebäude 1757 akut einsturzgefährdet war und man bereits damit begonnen hatte, Materialien zum Neubau einer Kirche heranzuschaffen, doch es fehlte die konsistoriale Genehmigung.

Nachdem das Christlich-Churfürstlich-Hessisch-Kasselsche Konsistorium in Rinteln dann die Erlaubnis zur Erbauung eines neuen Gotteshauses erteilt hatte, wurde am 6. Juni 1772 damit begonnen, die alte Kirche niederzureißen. „… Den 6ten Julius konnte schon der Grundstein zur neuen Kirche gelegt werden. Hunger und Theurung drükte in diesem Jahre ganz Teutschland, und man sahe bei dem Abbrechen der alten Kirche blasse Gestalten des Hungers, die kaum Kraft genug hatten zu stehen und sich zu bewegen. Der Rokken wurde der hiesige Scheffel zu 18 Kannen gerechnet, für 1 Reichsthaler 24 Mariengroschen, Gerste zu 1 Reichsthaler gekauft. Gelobt sei der Herr, der Gott Israel, der allein Wunder thut. ER hat große Dinge an uns getan, der da mächtig ist, und des Name heilig ist. Er hat zur rechten Zeit, da wir seinen Beistand und Segen am meisten bedurften, geholfen. Wolfeilere Zeiten, beständiger Sonnenschein beglückten unseren Bau, da der Grundstein gelegt war, davon dem Monat Julius alle Materialien Holz, Steine Kalk ungehindert angefahren, und im December dieses 1772 Jares der Kurpf auf den Thurm des neuen Gotteshauses konnte aufgesetzt werden …“.

Zu dem Kirchenbau wurden zwei Zollscheine ausgestellt, einer eigenhändig von Friedrich dem Großen, König von Preußen unterschrieben, und der andere von Georg III., König von Großbritannien und Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, der hier wiedergegeben werden soll:

„… Wir Georg der Dritte, von Gottes Gnaden König von Groß Britannien, Frankreich und Irrland, Beschützer des Glaubens, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, des Heiligen Römischen Reiches Schatzmeister und Churfürst, etc. Befehlen Unsern Ober-Hauptleuten, Drosten und Beamten, auch Zoll- und andern Bedienten, auf vorzeigen dieses, das in signirter Anlage verzeichnete Holtz und Bau-Materialen, so zu dem Wagenfelder Kirchenbau im Hessischen Amte Auburg erforderlich sind, und durch die hiesigen Ämter Stolzenau, Diepenau und Ehrenburg werden allerends in Unsern Landen unaufgehalten, auch Zoll- und andern Ungeldes frey, passiren zu lassen; Sie verrichten daran ihre Schuldigkeit, und unsern zuverläßigen gnädigsten Willen.

Hannover, den 14ten Octobr. 1772 im … Jahr Unsers Reichs …“.

Das für den Bau nötige Eichenholz wurde auf den hiesigen Pfarrgründen und auf den Höfen der Wagenfelder Bauern eingeschlagen, die je nach Güte des Holzes ihre Bezahlung erhielten. Zwölf Schock a 60 Stück Tannendielen und 12 Tannenbalken kamen von der Weser. Aus dem Osnabrücker und Bohmter Raum wurden 500 raue Mauersteine und aus Obernkirchen 280 Kubik-Fuß Quader-Steine angefahren. Aus dem Lippischen wurden 40 Fuder Kalk bezogen. Die anfallenden Kosten wurden aus der Kirchenrechnung bestritten.

„… Nachdem nun in dem Jahre 1773 dieser neuen Kirche auch inwendig alle nötige Bequemlichkeit und Zierde, außer der Orgel, die diesen Sommer fertig werden soll, verschaffet worden; so erfolgte an dem Neu Jares Tage 1774 in hoher Gegenwart Seiner Hochwohlgeboren Freiherrn des Herrn Rittmeisters von Cornberg, als Patron der Kirche, auch anderer Hochadliger Herrschaften, unter einer volkreichen Versammlung die feierliche Einweihung derselben …“. In der neuen Kirche wurden der Altar, die Kanzel, der Taufstein, Leuchter und Ölbilder wieder angebracht. Gleichzeitig wurde an der Ostseite der Kirche ein neues Erbbegräbnis für die Familie von Cornberg errichtet, in dem die Särge aus der alten Kirche wieder aufgestellt wurden.

Im Jahre 1857 sollte es zu großartigen Umgestaltungsmaßnahmen nach dem Stil der Neogotik im Inneren und vor allem am Äußeren der Kirche kommen, wodurch das Gesicht der Kirche völlig verändert worden wäre. Hätte man diese Maßnahmen, die letztendlich wohl am Geldmangel gescheitert sind (Kostenanschlag: 8.319 Taler), tatsächlich ausgeführt, dann hätte die Kirche heute einen ähnlichen Baucharakter wie die Rehdener Kirche.

Wegen unmittelbarer Nähe zur Kirche und den umliegenden Häusern wurde das Erbbegräbnis 1884 wieder abgerissen und ein neues Mausoleum auf dem Kirchplatz erstellt.

Zu großartigen Umbauarbeiten an der Kirche kam es in der Amtszeit Pastor Paetzmanns. 1892 kam Pastor Paetzmann nach Wagenfeld und nahm gleich den Umbau der Kirche in Angriff. Das Gebäude wurde an der Chorseite (Altarraum) verlängert und eine Sakristei wurde angebaut. Zu jener Zeit hatte die Kirche auch im Inneren ein wesentlich anderes Gesicht. Der Turm bestand im Bereich der Glocken aus unverputzten Fachwerkwänden. Die Länge der Emporen entsprach der Gesamtlänge des Kirchengebäudes. Einerseits waren die Emporen im Eingangsbereich der Kirche über Treppen zu betreten (so wie auch heute), andererseits konnte man aber auch über die neu angelegte Sakristei auf die Emporen gelangen. Ebenso führte eine schmale Steintreppe von der Sakristei zur Kanzel, die sich damals über dem Altar an der Wand angebracht befand. Man beschritt die Kirche auch nicht durch einen Hauptgang in der Mitte, sondern es gab zwei Gänge, die an den Säulen entlang führten. Es standen also lange Bänke zwischen den Säulen und kurze Bänke zwischen Wand und Gang. In der Nähe der Türen standen Öfen für die Feuerung im Winter.

Diese Restaurierung kostete 20.000 Mark, eine damals nicht unbedeutende Summe. Am 13. Oktober 1895 gab es schließlich ein Festmahl in Ottensmeyers Hotel anlässlich der Vollendung der Restauration, an dem 44 Personen teilnahmen, die an der Kirche gearbeitet hatten oder zu den Honoratioren gehörten.

Wohl aus der Zeit der national-sozialistischen Herrschaft stammten die bräunlichen Malereien im Altarbereich der Kirche, an die sich heute noch so mancher Wagenfelder erinnern kann. Diese Malereien hatten eine Art ornamentales Tapetenmuster und waren im oberen Bereich faltig wie ein Vorhang gestaltet.

Ihr Aussehen behielt die Kirche bis 1965/66. In der Amtszeit Pastor Meißners fanden wiederum gravierende Umbaumaßnahmen am Kirchengebäude statt. Die alte Sakristei wurde abgerissen und die Durchgänge zu den Emporen vermauert. Wenn das Licht günstig in die Kirche fällt, kann man die alten Durchgänge noch erkennen. Die Emporen selbst wurden auf ihre heutige Länge bis zu den Seitentüren verkürzt. Somit wurde der Altarraum ganz neu gestaltet: die Kanzel wurde von der Wand heruntergeholt und links vor dem Altar wieder aufgestellt. Der Taufstein erhielt seinen Platz rechts vor dem Altar. Gleichzeitig verschwanden auch die Malereien; die Rückwand der Kirche zieren jetzt 14 Ölgemälde. Es wurde eine neue Sakristei erbaut, die durch einen hinter dem Altar befindlichen Durchgang zu betreten ist. In der Sakristei befinden sich ein Vorbereitungsraum für die Pastoren und ein Taufelternraum. Mit dem Umbau wurden der Mittelgang in der Kirche sowie die beiden Seitengänge eingerichtet. Die Wiedereinweihung der St. Antoniuskirche erfolgte am 03. April 1966.

Das Kirchengebäude hat eine Länge von 26,60 Metern und ist 12,27 Meter breit. Die Mauern sind zwischen 0,80 und 1,00 Metern stark. Der Turm, der von einigen Fledermäusen, Kirchenmäusen und vielleicht auch noch anderen Tieren bewohnt wird, misst in etwa 24, 00 Meter.

 

Das Pfarrwitwenhaus

In den vergangenen Jahrhunderten kam es häufig vor, daß ein Pastor fast sein ganzes Leben auf einer Pfarre verbrachte und dann auch dort verstarb. Sofern der Pastor verheiratet war und seine Frau ihn überlebte, blieb beim Tode des Pastors also eine Pfarrwitwe zurück, für deren Lebensunterhalt und Versorgung die Kirchengemeinde aufzukommen hatte. Für diesen Fall gab es in Wagenfeld ein Pfarrwitwenhaus, in das die Frau Pastor nach dem Tode ihres Mannes zog. Da die Gemeinde bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts noch kein Pfarrwitwenhaus besaß, ließ Pastor Delius schon zu Lebzeiten ein Witwenhaus für seine Frau auf der Neustadt erbauen, wozu ihm das Grundstück auf Bitte der gesamten Gemeinde ausgewiesen worden war. „… Als ob die Gemeine vor einigen Jahren ein Prediger Witben Haus, auf einen derselben zugehörigen Platze, so wohl eine kleine Viertel Stunde von den Pfarr Hause belegen, aus den Gemeinen Geldern mit schweren Kosten auferbauhet, auch dazu einige Morgen Land, und Wiesen Wachs zum bessern Aus Kommen der zeitigen Witben hergegeben …“ (Pastor Meyer 1755). Die Urkunde über den Pastorenhof vom 05. Juli 1670, die um 1908 durch einen Brand vernichtet wurde, besagte, daß der Erbauer des Hauses, Pastor Delius also, wie auch seine Frau von allen Diensten auf der Auburg frei sein sollten. Die Kinder allerdings und etwaige weitere Besitzer des Hofes sollten ihn nur in Erbpacht innehaben. Frau Pastor Delius bezog das Haus 1692 und ließ es 1718 durch ihren Schwiegersohn verkaufen. Das Haus ist heute die Dammannsche Stelle in Neustadt, die noch immer Pastorenhof genannt wird.

Über das Witwenhaus schreibt Pastor Meyer weiterhin: „… Als mein Seel. Vatter und Antecessor (Amtsvorgänger) Anno 1698 auf erhaltene vocation die hiesige Pfarrbedienung und Pfarr Güther angetreten hat Er seines Praedeussoris Gerhardi Delii Wittwe alhier vorgefunden welche von Anno 1692 bis 1726 daß Witwenthumb mit zubehör in solcher beschaffenheit besessen, als es noch anjetzo ist, und … mit Hoffraum und allen zubehör ohngefehr 3 Morgen in sich begreift. Nach absterben obgedachter Witbe hat mein antecessor von ao. 1727 diese Leibzucht wieder zur Pfarre gezogen, und bis an seyn lebens Ende 1743 ohn jemandes wieder in possesione gehabt und vermiethet … . Von ao 1743 bis 1754 hat wiederum meine Seel. Mutter, als Witwe diese Pfarr Leibzucht vermiethet, und das gantze Einkommen … auf 12 Reichsthaler bringen können zwei Jahre vor Ihrem lebens Ende war das Haus also verfallen, daß es ein halb Jahr ledig gestanden, und Witwe eines halben Jahres … entbehren müssen. Da ist die Gemeine zu Erbauung eines bessern Hauses annimieret worden, sonderlich als ich da ein gewilliget, daß das Bau Holtz von den Pfarr Gehöltze solle genommen, und nicht vor Geld angekaufet werden. Nach dehm diese Versprechen erfüllet, und alles Holtz von der Pfarre ist hergegeben, außer etwas so vom Kirchhoffe,und Wehnigen so mit genehmhaltung der Obrichkeit, von der Gemeinheit da ist ohne Entgeldt genommen, So ist daß neue Haus, nicht auf einem der Gemeinde zugehörigen Platze, sondern auf dem alten Hoffraum welches nach Conradi Messung 16 Ruthen 9 fuß begreifft, gesetzet worden …“.

So um 1755 also wurde ein neues Witwenhaus erbaut. Da von Julius Hummel der Verkauf des Deliusschen Hauses (1718) beschrieben wird, von Pastor Meyer allerdings zu erfahren ist, daß dessen Vater das Witwentum 1727 wieder zur Pfarre gezogen habe und das Haus 1754 sehr baufällig gewesen sei, stellt sich die Frage, ob die Gemeinde inzwischen über ein eigens Witwenhaus verfügte? Das Pfarrwitwentum beinhaltete im einzelnen:

„… was eine Pfarr-Witwe alhier zu genießen hat

  • Haus und Hof-Lande hält an Maß 16 Ruthen 9 Fuß
  • die bey dem Witwen Haus belegenen zwei Stücke: 1 ¾ Acker 15 Ruthen
  • das Wiesenwachs zwischen dem Lande bey dem Witwen Haus: 1 Acker 25 Ruthen groß laut Extract der Auburgischen Land-Vermessung de 1723 …“.

In Zeiten, da keine Pfarrwitwe zu versorgen war, wurde das Witwenhaus vermietet; die Miete lief entweder nach vorab festgesetzter Frist oder mit dem Tode des Pastors, also dem Aufkommen einer Pfarrwitwe, aus. „… Das ganze Pfarr-Witwenthum, woran die Witwe die dazu gehörige Befriedigungen auf ihre Kosten zu unterhalten hat, ist am 21ten September 1790 an den Einlieger Friedrich Wilhelm Schmidt gegen ein jährliches Locarium von 25 Reichsthaler 2 Mariengroschen auf 6 Jahre meistbietend verpachtet worden …“.

Im Jahre 1814 wurde dem Pfarrwitwentum ein neuer Torfplatz im Neustädter Moor zugewiesen, da der bisherige Platz im Haßlinger Moor den anderen Interessenten wegen Torfmangels überlassen werden musste.

1832 kam es sogar zu einer Stiftung von 430 Talern für die Anlage einer Hypothek oder Ankauf von Wiesen, Acker- und Gartenland für die jedesmalige Pfarrwitwe aus dem Nachlass der Sophie Wilhelmine Henriette von Reitzenstein, geb. Freiin von Cornberg.

Solange keine Pfarrwitwe vorhanden und das Haus vermietet war, wurde es offenbar nur notdürftig in Stand gehalten. 1890 schon beschreibt Pastor Kastendieck das Haus als „… sehr verfallen…“. Jedoch wurde es 1905 noch wieder vermietet, und zwar an Häusling Wilhelm Meyer zu Haßlingen für eine Jahrespacht von 200 Mark. An Auflagen hatte der Häusling die ortsübliche Pflege der Ländereien, eigene kleinere Reparaturen, soweit sie ihn kein Geld kosteten, und das Torfstechen an nur fünf Tagen im Jahr zu erfüllen. Der Vertrag wurde bis 1913 abgeschlossen, sofern in der Zwischenzeit keine Witwe zu versorgen sei. Nach Ablauf der Frist wurde der Vertrag aber wieder verlängert. 1924 wohnte noch die Witwe Meyer in dem Haus und wollte auch gern dort wohnen bleiben, zumal die Pastorenwitwe Paetzmann nicht in das Haus ziehen mochte. Die Witwe Meyer klagte gegen die Gemeinde und gewann den Prozess mit einer Pachtverlängerung bis zum 01. April 1927.

Dass Frau Pastor Paetzmann nicht in das Pfarrwitwenhaus ziehen mochte, erscheint nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, daß das „… Pfarrwitwenhaus einem alten verfallenen Häuslingshause gleiche …“ (Visitationsbericht 1926). Der Kirchenvorstand wurde bei dieser Gelegenheit um einen Bericht über die nötigen Maßnahmen bezüglich des im Verfalle befindlichen Hauses ersucht. Leider schweigen die Unterlagen darüber, was weiterhin mit dem Witwenhaus geschehen ist.

 

Das Gemeindehaus ehemals Pfarrhaus

Die älteste Nachricht über ein Pfarrhaus in Wagenfeld stammt vom 08. November 1587. Es handelt sich um  einen Brief an den Landgrafen von Hessen, den Julius Hummel zitiert: „… Wir arme einfältige Leien müssen die Wedem (Pfarrhaus) samt der Kirche in Bau und Besserungsstande erhalten. Es haben unsere Voreltern die besten Ländereien in Wagenfeld belegen und zwei Wiesen zu der Wedem beigelegt, die wir sämtlich missen …“.

Leider ist hieraus nicht zu schließen, wann das Pfarrhaus erbaut worden ist. Die Akten schweigen auch darüber, ob während der nächsten 200 Jahre ein Neubau stattgefunden hat. Es bleibt aber zu vermuten, daß das Pfarrhaus um 1780 schon eine beträchtliches Alter gehabt haben muss. Denn am 23. Apri 1784 schrieb Pastor Kahler ein Gesuch  an das Konsistorium zu Rinteln, in dem er den baldigen Neubau eines Pfarrhauses erbat. Die Ursachen, die er zu einem Neubau Bau anführt, wirken heutzutage erschreckend und dürften im Laufe einiger Jahrzehnte entstanden sein.

„… So unterstehe ich mich, dieselben  um baldige Beförderung dieses so nothwendigen Baues unterthänigst zu bitten. Die bewegenden Ursachen zu dieser meiner unterthänigsten Bitte sind folgende.

  • das alte Strohdach drohet auf einer Seite dem Einsturze, und der Sturmwind hat schon an verschiedenen Stellen große Löcher in dasselbe gerissen, die wegen Mangel des Strohes, zu rechter Zeit nicht haben ausgebessert werden können.
  • der Schlagregen, der durch die morschen Balken von außen bis in die Zimmer dringt, verursacht daß der Kalk öfters von den Wänden fält; hieraus aber erwachsen nicht nur für die Bewohner des Hauses öftere Umbequemlichkeiten; sondern auch dem Kirchenkasten jährige Reparations-Kosten. Auch befindet sich
  • der Schornstein, der inwendig nicht mit Leinen, wie es sein müßte, überzogen ist in einer so schlechten Verfassung, daß, ohngeachtet ich alle Abend denselben durch meine Domestiquen (Hausangestellten) reinigen lasse, dennoch oftmals Feuer darin auflodert, welches durch genaue Vorsicht bisher noch immer gedämpft worden ist.
  • vor denen Stuben und Küchenfenstern sind weder Laden noch Gitter, und weil die nächst bewohnten Häuser abgelegen sind, wird also auch durch Gefahr welche man bei solchen Umständen von Dieben zu befürchten hat, die fast allenthalben bequemen Eingang finden, das hiesige Pfarr Haus nicht nur bei Tage, sondern auch bei Nacht ein unsichrer Aufenthalt …“.

Heute erscheint es ganz unvorstellbar, daß in einem solchen Haus noch Menschen, und dann sogar der Pastor, lebten. Aber Pastor Kahlers Bitte fand beim Konsistorium Gehör. Zuerst wurde überlegt, ob man  noch einmal mit einer grundlegenden Restaurierung – mit Austausch des Wohngiebels nämlich – davonkommen könne, oder ob doch der Neubau eines Pfarrhauses sinnvoller sei. Nachdem der Kirchenvorstand die kostengünstigere, erste Möglichkeit befürwortet hatte, wurde im Jahre 1785 das Pfarrhaus zum Teil neu erstellt, wozu das Bauholz von den Pfarrgründen geschlagen wurde, und die Kosten die Gemeinde trug.

1820 wurden ein Wirtschaftsgebäude nebst Backofen und 1822 eine Viehscheune neu dazu gebaut, wofür ein Speicher und ein Torfschuppen verkauft worden waren.

Diese Gebäude, einschließlich des Pfarr- und Konfirmandenhauses wurden 1882 von der Gemeinde auf Abbruch verkauft. Ein Teil des alten Pfarrhauses kam zu Hollers (Hadeler-Bening-Uffenbrink in Bockel) und der andere Teil wurde im Gehöft von Moiten (Seißenschmidt-Ufferhusloh-Bening in Förlingen) wieder aufgebaut. An Stelle dessen wurde ein neues Pfarrhaus aus Wagenfelder Backsteinen samt Wirtschaftsgebäuden erbaut. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam es zu einigen Umbaumaßnahmen, doch 1966 wurde das Pfarrhaus grundlegend als Gemeindehaus umgebaut und die Wirtschaftsgebäude verschwanden ganz. Das Gebäude hat seitdem zwar nicht viel von seiner Imposanz verloren, wohl aber einen beträchtlichen Teil seiner einstigen Schönheit eingebüßt.

 

Das Küsterhaus

Ähnlich wie das Pfarrhaus war das alte Küster- und Schullehrerhaus  zu Förlingen so reparaturbedürftig, daß die Kirchengemeinde in Zusammenarbeit mit dem Schulvorstand von Förlingen 1862 über den Neubau eines Küsterhauses anstelle einer großangelegten Restaurierung desselben beriet. Dem Neubau wurde 1862 der Vorschub erteilt, worauf es etlicher Vorverhandlungen mit dem Königlichen Konsistorium zu Hannover bedurfte, ehe 1867 bis 1868 ein neues Küster- und Schullehrerhaus in Förlingen unweit dem Kirchhofe an der Oppenweher Straße erbaut wurde. Konzipiert war das Haus für zwei Unterrichtsräume, die Wohn- und Wirtschaftsräume eines ersten und zweiten Lehrers verbunden mit Stallungen und Diele. Nur 20 Jahre später wurde das Gebäude durch einem Brand stark beschädigt und musste von neuem wieder aufgebaut werden.

In den 1950er/60er Jahren dieses Jahrhunderts sind die Wirtschaftsräume umgebaut worden, an deren Stelle befinden sich heute die Räumlichkeiten der Gemeindebücherei. Im Obergeschoss ist das Haus vermietet und im Parterre befinden sich noch ein paar als Klassenräume genutzte Räume.

 

Die beiden Pfarrhäuser

Das Pfarrhaus I an der Oppenweher Straße, das Pastor Drecoll bewohnt, wurde 1966 errichtet, als das ehemalige Pfarrhaus als Gemeindehaus umgebaut wurde. An das Pfarrhaus I angeschlossen befindet sich das Pfarrbüro.

Ehepaar Steinmeyer wohnt mit seinen drei Kindern Felix, Thorben und Linda im Pfarrhaus II am Pastorenkamp.

Dieses Haus wurde 1974 mit der Einrichtung der zweiten Pfarrstelle in Wagenfeld erbaut und später noch einmal erweitert.

 

Die Friedhofskapelle

Erstmals erhielt Wagenfeld eine Friedhofskapelle im Jahre 1911, als der neue Friedhof angelegt wurde. Bei der alten Kapelle handelte es sich um einen Backsteinbau mit aufgesetztem Fachwerkturm. In dieser Zeit spielte die Kapelle, die Platz für nur einen Sarg und etwa 30 Trauergäste bot, nur für die Trauergottesdienste der Familien eine Rolle, die einen Toten nicht zu Hause aufbahren konnten. Bis in die 60er Jahre hinein fanden die meisten Beerdigungen noch vom Trauerhause aus statt, wo die Verstorbenen auch aufgebahrt wurden.

Da in den 60er Jahren eine gründliche Erneuerung der Kapelle notwendig geworden wäre, die den Erfordernissen der Zeit aber nicht mehr entsprochen hätte, wurde die alte Kapelle 1965 abgerissen. An ihre Stelle trat ein zweckbetonter, moderner Neubau, der von dem Osnabrücker Architekten Johannsen entworfen und durch die frühere Samtgemeinde errichtet wurde. Der Feierraum ist recht schlicht gehalten. Als einziger Schmuck dienen ein Wandrelief aus Metallguss an der mit Holz verkleideten Stirnseite sowie zwei künstlerisch sehr wertvolle Betonbuntglasfenster an der Südseite. Die Decke ist von innen mit Ried verkleidet.

Etwa 180 Trauergäste haben in der Kapelle Platz und im Bedarfsfall sorgt ein Lautsprecher für Übertragung des Gottesdienstes nach draußen. An die Kapelle angeschlossen sind drei Kühlräume für Verstorbene.

 

Das Armenhaus

Ein Armenhaus hat es in Wagenfeld nachweislich seit mindestens dem 17. Jahrhundert gegeben. Es hatte seinen Platz wohl seit jeher auf dem Kirchhof.

Im Jahre 1781 erbaute die Kirchengemeinde auf dem Kirchhofe in der Nähe des Gehöfts Friedhoff (Bernd-sien) ein neues Armenhaus für die Bedürftigsten der Kirchengemeinde. Die Menschen, die dort Unterkunft erhielten, waren häufig aus verschiedenen Gründen so sehr verarmt, daß sie dem Obdach der Kirche bedurften. Zumeist handelte es sich um alte oder alternde Menschen, die sich nicht mehr selbst ernähren konnten und auch von niemandem aufgenommen wurden. Aber auch jüngere Leute mit ihren Kindern, die aus den verschiedensten Gründen verarmt waren, und z. B. junge Frauen mit unehelichen Kindern oder Waisenkinder fanden dort Unterkunft.

Diese Armenhaus behielt bis 1866 dort seinen Platz. Immer häufiger kamen dann dem Pastor Kastendiek Klagen zu Ohren, daß der Gottesdienst durch Kinderlärm aus dem nahen Armenhause gestört würde. Daraufhin verlegte man das Armenhaus nach Bockel, und zwar in den Winkel zwischen heutiger Diepholzer Straße und Barver Straße gegenüber von Schmalen. Im Anfang der 50er Jahre verschwand das Armenhaus in seiner Eigenschaft ganz. Die Gemeinde erwarb daraufhin ein neueres Gebäude am Bockeler Berg als Armenwohnung.

 

Der Torfschuppen

1922 wurde direkt an die Wirtschaftsgebäude vom Hof Friedhoff – Förlingen Nr. 57 (Bernd-sien) ein Torfschuppen für die Kirchengemeinde angebaut. Er beherbergte den Torf, der im Winter zur Feuerung in der Kirche nötig war. Heute wird der Torfschuppen als Abstellraum genutzt.

 

Die Obdachlosenhütte

1998 wurde zwischen Pfarrhaus I und dem Gemeindehaus durch die Mittel einer großzügigen Einzelspende und aus dem Diakoniefonds eine Obdachlosenhütte errichtet! Die Hütte verfügt nicht nur über ein Bett, sondern auch über Toilette und Waschbecken und bietet im Notfall die Übernachtungsmöglichkeit für einen Wohnungslosen, bevor er am nächsten Tage weiterzieht. Ein Großteil der Erd- und Instalationsarbeiten wurde unentgeltlich geleistet und auch die Einrichtung der Hütte stammt aus Spenden!